Conference paper

Stürzebacher, Maria; Wolf, Klaus:

OWE MINS HERZ – Zur Ikonografie der hohen Minne auf mittelalterlichen Schmuckstücken

Brosche aus dem Erfurter Schatz
Brosche aus dem Erfurter Schatz
Direkt am Körper getragene Schmuckstücke wie Fingerringe, Broschen oder Gürtel sind besonders persönliche Gegenstände. Daher waren sie schon immer Träger spezieller Botschaften – sowohl im übertragenen Sinn, durch die Verwendung bestimmter Motive und Symbole, als auch im eigentlichen Sinn, durch die Anbringung von Inschriften.

Im Mittelalter erscheinen neben religiösen Inschriften wie beispielsweise AVE MARIA besonders häufig Inschriften mit Liebesthematik – oft kombiniert mit Symbolen aus demselben Themenkreis. So tragen Gürtel besonders oft Applikationen mit einzelnen Worten wie AMOR oder LIEB, auch in Kombination mit Besatzteilen in Form ineinander gelegter Hände, einem sehr alten Symbol ehelicher Treue. Doch auch Sentenzen oder Zitate aus bekannten Texten fanden ihren Weg auf Schmuckstücke. Beliebt war unter anderem das Vergilzitat AMOR VINCIT OMNIA, das an Gürteln, Broschen und Fingerringen nachgewiesen werden kann.
Ein außergewöhnliches Beispiel ist eine Brosche aus dem Erfurter Schatz. Sie ist in Form eines gespannten Bogens mit gefiedertem Pfeil gearbeitet, den Attributen der Frau Minne. Die tordierte Bogensehne wird von einem Schriftband begleitet, das die Majuskelinschrift OWE MINS H– trägt, wobei Letzteres gewiss mit HERZ ergänzt werden kann. Die Inschrift erinnert wohl nicht zu Unrecht an den Anfang eines Minnegedichtes von Ulrich von Singenberg aus der Heidelberger Liederhandschrift, das mit den Worten owe mins herzen herze beginnt.

Es ist naheliegend, dass gerade Schmuckstücke dieser Art als Liebesgaben dienten, sie wurden zur Verlobung oder zur Hochzeit verschenkt und natürlich zu diesen Anlässen getragen. Sie zeugen von der Verbreitung der Idee der höfischen Minne in weiten Teilen der Bevölkerung.

Einen Sonderfall stellt der Erfurter Minnegürtel mit rund 80 Gürtelapplikationen dar, welche jeweils einzelne Buchstaben enthalten. Die jetzt ungeordneten Einzelteile ergäben in der korrekten Reihenfolge einen sinnvollen Text. Analysen von Prof. Dr. Klaus Wolf ergaben, dass es sich um mittelhochdeutsche Silben handelt, die eindeutig der Minnethematik gewidmet sind. Formal könnte von der Silbenzahl her die Langzeilenstrophe (wie beim Kürenberger oder Nibelungenlied) zugrundegelegen haben. Da die Silbenzahl eine mögliche Lösungsmenge (80 Fakultät) ergibt, die händisch nicht mehr zu bewältigen ist, dürften nur mathematische Ansätze erfolgversprechend sein. Zur Zeit arbeiten Johann Deil und Klaus Wolf (beide Augsburg) zusammen mit dem Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren der Universität Trier an einer Lösung des Silbenrätsels.


Dr. Maria Stürzebacher, 1993 – 1999 Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie, Alten Geschichte und Soziologie (Magister Artium) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena,
2008 Promotion „Der Schatzfund aus der Erfurter Michaelisstrasse – Mittelalterliche Goldschmiedearbeiten als Zeugnisse jüdischen Lebens in Erfurt“ an der Universität Erfurt.
2007 – 2009 Mitarbeit an der Museumskonzeption Alte Synagoge Erfurt, seit 2009 Beauftragte für das UNESCO-Welterbe der Stadt Erfurt

Prof. Dr. Klaus Wolf, 1986-93 Studium der Germanistik und der Katholischen Theologie (Staatsexamen) an der Universität Augsburg, Promotion: "Kommentar zur Frankfurter Dirigierrolle und zum Frankfurter Passionsspiel" 1998 (Summa cum laude). Universitätspreis der Augsburger Universitätsstiftung 1999.
2005 Habilitation im Fach "Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters.
1994-98 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters (Prof. Dr. Johannes Janota) an der Universität Augsburg.
1998-2004 Tätigkeit als Wissenschaftlicher Angestellter im Projekt "Schrifttum der Wiener Schule", gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Seit 2005 Tätigkeit als Wissenschaftlicher Angestellter in den Projekten "Die Augsburger Predigten des Johannes Geiler von Kaysersberg" und Edition der Werke des "Österreichischen Bibelübersetzers", jeweils gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft,
WS 2006/07 Vertretung der Professur für Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters (Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Williams) an der Universität Augsburg,
SS 2007 Vertretung des Lehrstuhls für Ältere Deutsche Philologie (Prof. Dr. Horst Brunner) an der Universität Würzburg (zuvor im SS 2006 und WS 2006/2007 Lehraufträge für Ältere Deutsche Philologie an der Universität Würzburg),
WS 2007/08 bis WS 2008/09 wieder Wissenschaftlicher Angestellter am DFG-Projekt "Österreichischer Bibelübersetzer" an der Universität Augsburg,
SS 2009 Vertretung einer Professur für Deutsche Sprachgeschichte an der Universität zu Köln,
2009/10 Vertretung einer Professur für Ältere deutsche Philologie an der Universität Würzburg,
2010-2012 W2-Hochschuldozentur für Ältere deutsche Philologie/Mediävistik am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg.
Seit 1.10.2012 W2-Lehrprofessur für Deutsche Literatur und Sprache des Mittelalters und der Frühen Neuzeit mit dem Schwerpunkt Bayern an der Universität Augsburg.