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Weiß, Andreas:

Modellhafte und nachhaltige Sanierung durch Rauchgas- und Nitratemissionen geschädigter Wandmalereien in der Marienkirche zu Bergen auf Rügen im ostseetypischen Wechselklima

31.05.2007 to 31.08.2009

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Der vor 1193 unter dänischen, westfälischen und niedersächsischen Einflüssen entstandene spätromanische Wandmalereizyklus in St. Marien Bergen ist ein international bedeutendes Kunstdenkmal. Er wurde 1896 aufgedeckt und bis 1902 durch den Maler und Innenarchitekten August Oetken restauriert. Aufgrund eines sich offensichtlich beschleunigenden Verfalls des gesamten Malereibestandes durch Salzausblühungen hat die Kirchengemeinde 2003 restauratorische Voruntersuchungen beauftragt, die von der MPA Bremen wissenschaftlich begleitet wurden. Als Hauptschadensursache wurden hochgradige und umfassende Gips- und Nitratbelastungen der Malschicht im Zusammenwirken mit klimatischen Belastungen festgestellt. Die Gipsbelastung entstand nach der Freilegung – bedingt durch die exponierte Lage auf der Leeseite eines Heizkraftwerkes - durch den Zutritt schwefliger Rauchgasemissionen bei kondensatbedingter Durchfeuchtung der Malschicht. Die Nitratbelastung dürfte infolge der in der DDR - Landwirtschaft üblichen Düngung von Feldern von Flugzeugen aus entstanden sein. Durch das hygroskopische Verhalten der Nitrate wird die Mobilität des Gipses in der Malschicht augenscheinlich gedämpft. Kristallisationszyklen haben an anderer Stelle zu erheblichen Strukturschäden geführt. Aufgrund des erreichten Vergipsungsgrades werden durch thermohygrische Bewegungen Scherspannungen zwischen Malschicht und Putz hervorgerufen, die zu fortschreitenden Bindungsverlusten führen. Die Standzeit konventioneller Festigungsmaßnahmen ist erheblich herabgesetzt. Zur Rettung des mit ca. 560m² enormen Malereibestandes sind deshalb unverzügliche und hocheffiziente Maßnahmen erforderlich.

Die zur Konservierung vergipster Oberflächen aus über 35 Jahren Forschung und praktischer Anwendung verfügbaren umfangreichen Erkenntnisse sind auf die vorliegenden Problemstellungen nur bedingt anwendbar: Aufgrund der Überlagerung der vergipsten Malschicht durch poröse Gipskrusten und - schleier drohen bei Anwendung chemischer Methoden zur Gipsumwandlung/ Gipspassivierung irreversible weiße Verschleierungen der Malerei. Eine laserbasierte Entfernung der aufliegenden Schleier ist weitgehend unmöglich, da die Strahlung auf die Malschicht durchdringt, die ihrerseits der zur Entfernung der Schleier erforderlichen Energie nicht standhält. Die Nitratbelastung kann bei der Anwendung alkalischer Methoden zu Verschwärzungen von Blei- und Kupferpigmenten und bei der Bariumhydroxidmethode zu irreversiblen Verschleierungen und Gefügeschäden führen. Die Kompressenextraktion der Nitrate und der bei einigen Gipsumwandlungsmethoden entstehenden leichtlöslichen Sulfate wird neben der Fragilität der Malschicht durch die enormen Wasseraufnahmekoeffizienten des mittelalterlichen Backsteinmauerwerks erschwert.

Ziel des Projektes war deshalb die Erarbeitung und Erprobung einer modellhaften und nachhaltigen Konservierungskonzeption für großflächig rauchgas- und nitratgeschädigte Raumfassungen im ostseetypischen Wechselklima. Dabei sollten vorhandene Praxiserfahrungen mit eingeführten Konservierungstechnologien unter den regionalspezifischen Bedingungen verdichtet und ggf. modifizierte Technologien abgeleitet werden, eingeführte Kompressenrezepturen auf ihre Anwendbarkeit an fragilen Malereien über dem stark saugenden Backstein der Region geprüft und ggf. modifiziert werden. Ergebnis der Untersuchungen ist eine integrierte Technologie zur Kompressenentsalzung und Gipsumwandlung auf der Basis von Ammoniumkarbonat und karbonatbeladenen Ionenaustauscherharzen.

Die Schadenspotentiale der aufgrund von Verfahrensgrenzen und Kontraindikationen trotzdem in der Malerei verbleibenden Salze sollen durch Einrichtung eines selbstregelnden Klimamanagements zur Minimierung von Tauwasserausfall, Feuchte- und Temperaturschwankungen langfristig passiviert werden. Zur Vorbereitung des Projektes wurden hier ein Monitoring des Raumklimas im Jahreszyklus durchgeführt und die Winddichtigkeit der Raumschale, unter anderem mit Automatiktüren, verbessert. Projektbegleitend wurden verschiedene Verfahren zur Mauerfeuchtediagnose auf ihre Eignung an Wandmalereien, bzw. an mittelalterlichen Backsteinmauerwerken getestet. Dabei konnten die flächige Verteilung der Belastung der Malereien mit hochhygroskopischen Salzen visulaisiert und die Eignung einer kapazitiven Tiefensonde für des Monitoring von Mauerfeuchten in Tiefenprofilen bis 1m aufgezeigt werden.

Gefördert durch die DBU



Dieses Projekt wurde gefördert durch
die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
AZ 22116/01

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  • Andreas Weiß (Author)