Hochschularbeit

Petra Becher: Konzeptionen und Lösungsvorschläge zur Stabilisierung und Aufhängung eines Zyklus von 21 großformatigen Leinwandgemälden an dem Tonnengewölbe der evang. Kirche in Seligenthal Zurück
Seitenübersicht:  
 
Zusammenfassung: Die Thematik der vorliegenden Arbeit ergab sich aus der besonderen Problematik, welche sich bei der Konservierung und Restaurierung des Leinwandgemäldes "Verkündigung an Maria" stellte.
Das Gemälde ist das erste zu bearbeitende Bild eines Zyklus von 21 großformatigen Leinwandbildern
aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie sind unmittelbar auf das Holztonnengewölbe der ev. Kirche in Seligenthal, Landkreis Schmalkalden‐Meiningen, genagelt.
Die Gemälde sind in einem sehr fragilen Zustand. Da sie nur punktuell durch Nagel an dem Gewölbe
befestigt sind, welche sich über die gesamte Bildflache verteilen, hat sich das Bildgefüge mehr oder minder stark kissenartig ausgebaucht. Die an den Nagelstellen größtenteils stark oxidierte Leinwand ist stellenweise von den Nägeln abgerissen. Zudem wurden bei einer Restaurierung im 19.Jahrhundert großflächig Gemäldepartien geradlinig herausgeschnitten und mit lose hintergeschobenen Leinwandflicken hinterlegt, welche anschließend großzügig übermalt wurden.
Im Rahmen der vorgesehenen Konservierung der Gemälde, ist eine Stabilisierung der Leinwandträger
unumgänglich, damit eine Wiederbefestigung an dem Tonnengewölbe überhaupt vertretbar ist. In
welchem Umfang und in welcher Art diese Maßnahmen konzipiert werden, soll ein Thema dieser
Arbeit werden.
Es eröffnet sich die Problematik, ob eine Stabilisierung des Trägergewebes mittels alternativen Techniken zur Doublierung möglich ist, oder ob eine Doublierung notwendig wird, welche einen sehr gravierenden Eingriff in das Materialgefüge beinhaltet. "Alternative Doublierungstechniken" sind all
jene Techniken, die die Möglichkeit bieten, einer Doublierungsmaßnahme aus dem Wege zu gehen.
Dazu zählen unter anderem Rissverklebungen und das Einsetzen von Gewebeintarsien.
Da die Gemälde weiterhin an ihrem ursprünglichen Standort in der Kirche präsentiert werden sollen,
liegt es in der Befestigungsweise und in der Art der Hängung schon begründet, dass eine zusätzliche
Stützung des Leinwandträgers nicht vermeidbar ist.
Insofern werden auch unterschiedlichste Ansätze verschiedener Doublierungsmaßnahmen beleuchtet. Hierbei wird versucht, einen kritischen Vergleich zwischen neuen Möglichkeiten zur Stabilisierung und Befestigung der Leinwandbilder und herkömmlichen, bewährten Methoden anzustellen.
Besonderen Wert wird dabei auf die Untersuchung der Trägermaterialien und der Bildgefiüge, im
Hinblick auf ihr feuchtephysikalisches Verhalten in der speziellen klimatischen Situation der Kirche,
gelegt. Dabei eröffnet sich u. a. die spezielle Problematik der Verträglichkeit von neuen
Trägermaterialien mit historisch gealterten Bildgefügen.
Auf den sehr wichtigen Aspekt der verwendeten Bindemittel bzw. Festigungsmittel möchte ich nur
am Rande eingehen, da dies einer gesonderten Betrachtung bedarf. Zudem haben sich schon
spezielle Arbeiten mit dem Thema von historischen und modernen Doublierungstechniken und mit
den damit in Zusammenhang stehenden Bindemitteln beschäftigt. Um bei den Testauswertungen
eine gewisse Vergleichbarkeit der verschiedenen Materialgefüge zu gewährleisten, wurde sich nur
auf eine minimale Auswahl, an in der Restaurierungspraxis gebräuchlichen Klebemitteln, beschränkt.
Im Praxisteil wird das Verhalten verschiedener Proben bei klimatischen Schwankungen getestet.
Dummies, welche den Träger‐ und Malschichtaufbau der historischen Gemälde imitieren, wurden auf
unterschiedlichste Träger doubliert. Im Klimaschrank versuchte man die Extremwerte des
Kirchenraumklimas im Jahresverlauf zu simulieren und die Proben auf diese Weise im Zeitraffereffekt
künstlich zu altern. Eine Auswertung der "gealterten" Proben erfolgte nur augenscheinlich, unter Betrachtung mit dem Mikroskop.
Genauere, aussagekräftigere Versuchsergebnisse erzielte man bei der Messung der Hystereseeffekte
des Sorptionsprozesses und bei der Messung des Diffusionswiderstandes bzw. der Wasserdampfaufnahme‐ und –abgabegeschwindigkeit der Proben.
Das feuchtephysikalische Verhalten der verschiedenen Trägermaterialien unterscheidet sich zum Teil
stark voneinander.
Es gibt bisher sehr wenige Untersuchungen an künstlich gealterten, noch weniger an natürlich
gealterten, historischen Materialien – und gar keine an konsolidierten Materialien. Der oftmals in
der Restaurierung geltende Grundsatz "Gleiches mit Gleichem", muss bei der Konsolidierung von
neuen auf gealterte Materialgefüge relativiert werden., da sich gealterte und neue Materialien
stark voneinander unterscheiden können.
Auch können konsolidierte Materialien in Verbindung mit unterschiedlichen Klebemitteln, ein ganz
anderes feuchtephysikalisches Verhalten zeigen als in Reinform. Die Sorptionseigenschaften und
die Wasserdampfdurchlässigkeit eines Materialgefüges sind nicht nur von den einzelnen Materialien abhängig, sondern auch von der Kombination dieser Materialien zueinander. Die Versuchsreihe zur Ermittlung des Wasserdampfdiffusionswiderstandes, sowie der Wasserdampfaufnahme‐ und Wasserdampfabgabegeschwindigkeit, erbringt einige sehr interessante Untersuchungsergebnisse zum Feuchtetransport der doublierten Proben.
Bei der vorliegenden Arbeit soll, trotz alter materialtechnischen Diskussionen, das Leinwandgemälde selbst und seine Einbindung in den Deckengemäldezyklus, im Einklang mit dem
Kircheninnenraum, nicht aus dem Mittelpunkt des Interesses gerückt werden.
Bei allen angedachten Maßnahmen zur Stabilisierung und Wiederbefestigung, muss auch die
Ästhetik und der Eindruck des Gesamtkunstwerkes bewahrt werden. Dabei sollte der
ursprüngliche, lose Bespannungscharakter der Leinwandbilder, so gut es die Konservierung erlaubt,
zu erhalten sein.
Diese Arbeit versteht sich nicht als allgemeinen Appell für Doublierungsmaßnahmen, sondern sie
beschreibt eher eine individuelle Extremsituation, in welcher auf eine spezielle Problematik
eingegangen werden muss.

Top

weitere Angaben:
  • Hochschule: FH Erfurt
  • Art der Arbeit:  Diplomarbeit
  • Abgabedatum:  1998
  • Sprache:  Deutsch
Zurück

Das Hornemann Institut verfügt ausschließlich über die hier angezeigten Informationen. Für weitere Informationen oder Kopien der Hochschularbeit wenden Sie sich bitte an den Autor/die Autorin - oder wenn kein Kontakt angegeben ist - an die Sekretariate der jeweiligen Fakultäten.