Conference paper

Hauk, Henriette:

Francia diligit varietate pretiosa fenestrarum. Zur Frage nach der ‚nationalen’ Herkunft von Handwerkskünsten

Theophilus Presbyter schreibt in der Vorrede seines 2. Handwerksbuchs (zur Malerei und den Farben), dass er dem Leser seiner Anleitung darbieten will

- was Griechenland an Arten und Mischungen der verschiedenen Farben besitzt,
- was Russland (oder auch: Tuscia... Etrurien?) an kunstvoll ausgeführten Emailarbeiten und an mannigfaltigen Arten des Niello kennt,
- was Arabien an Treibarbeit, Guss oder durchbrochener Arbeit unterschiedlicher Art auszeichnet,
- was Italien an verschiedenartigen Gefäßen sowie an Stein- und Beinschnitzereien mit Gold ziert,
- was Frankreich an kostbarer Mannigfaltigkeit der Fenster schätzt,
- was das in feiner Arbeit in Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Holz und Stein geschickte Deutschland lobt.

Im Prolog zum 3. Buch (Glas) spricht er von Mosaik und verbindet die Technik mit einer Reiseerfahrung, die ihn in die Hagia Sophia nach Konstantinopel brachte, wo er forschend versuchte, hinter die Technik der dort gezeigten Mosaiken zu gelangen. Diese Bemerkungen implizieren, dass es bestimmte Gebiete (Regionen? Nationen?) gibt, aus denen bestimmt Kunstwerke bzw. spezifische Handwerkskünste stammen.

Nicht deutlich wird, ob Theophilus aussagen will, dass in den genannten Gebieten diese Techniken entwickelt oder dass sie dort zu seiner Zeit auf besonders hohem Niveau ausgeführt wurden - das eine würde auf eine (legendäre?) Ursprungserzählung verweisen, das andere eher davon zeugen, dass er über spezifisches Wissen zu Transportwege und dem Import von Kunstwerken und Künstlern verfügte.

Der Vortrag nimmt diese beiden Zitate zum Anlass, auch andere mittelalterliche und frühneuzeitliche Quellen danach zu befragen, in welcher Weise und aus welchen Motivationen heraus künstlerische Techniken spezifischen Gebieten zugeschrieben wurden - und dabei zu analysieren, ob mit diesen Narrationen bestimmte Kulturen und Volksgruppen verbunden wurden bzw. ob über die erfolgte Verortung hinaus noch weitere Angebote gemacht werden, die das Herkunftsnarrativ mit zusätzlichen Bedeutungszuschreibungen aufladen.


Henrike Haug: Studium der Kunstgeschichte, klassischen Archäologie und mittelalterlichen Geschichte in Berlin und Pisa; 2003-2005 Doktorandenstipendiatin, 2005-2009 wissenschaftliche Assistentin des KHI in Florenz (MPI); 2009-2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunstwissenschaft und historische Urbanistik an der TU Berlin; zur Zeit Postdok-Stipendiatin am KHI in Florenz (MPI).