Conference paper

Schädler-Saub, Ursula:

Wandmalerei des hohen Mittelalters: Kunstgeschichte und Restaurierung

Zur Einleitung in die Sektion „Wandmalerei des hohen Mittelalters: Kunstgeschichte und Restaurierung“ soll der Stellenwert der Restaurierungsgeschichte für die kunstgeschichtliche Forschung im Allgemeinen und hier insbesondere für die Erforschung mittelalterlicher Wandmalereien und Architekturfassungen hervorgehoben werden. Ein wichtiges Anliegen dieser Sektion ist die Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Fachleuten der Kunstgeschichte und der Restaurierungswissenschaft, um Arbeitsmethoden und Erkenntnismöglichkeiten beider Disziplinen gewinnbringend miteinander zu verbinden.
Mittelalterliche Wandmalereien und Architekturfassungen sind nur in Ausnahmefällen in einem weitgehend originalen Zustand überliefert. Meist ist ihr Erscheinungsbild nicht nur durch Alterungsphänomene und historische Überarbeitungen, sondern vor allem durch historische Restaurierungen geprägt. Unsachgemäße Freilegungen im 19. und 20. Jh. führten zu hohen Substanzverlusten, diese wiederum zu umfangreichen Retuschen und Übermalungen, auf die dann häufig purifizierende Restaurierungen folgten. Mittelalterliche Wandmalereien und Ar¬chitekturfassungen sind deshalb in ihrer Substanz und in ihrem Aussehen meist so stark von späteren Eingriffen geprägt, dass das Erkennen und Deuten des Originals ohne die korrekte Identifikation historischer Restaurierungsmaßnahmen gar nicht möglich ist.
Verschiedene Beiträge dieser Sektion werden daher die Bedeutung kunsttechnologischer und allgemein restauratorischer Untersuchungen für die kunsthistorische Einordnung mittelalterlicher Wandmalereien darstellen. Ebenso wird die Notwendigkeit hervorgehoben, die Restau¬rierungsgeschichte als unverzichtbares Kapitel in Corpuswerke und monografische Werke über mittelalterliche Wandmalerei aufzunehmen.
In der Einleitung wird thematisiert, dass Restaurierungsgeschichte nicht als Beeinträchtigung des Originals betrachtet werden soll, sondern als Teil seiner Rezeptionsgeschichte: Ein Zeugnis des jeweiligen Zeitgeschmacks und der sich wandelnden Vorstellungen vom Mittelalter und somit ein kulturhistorisches Dokument mit vielen meist fragmentarischen Zeitschichten vom Zeitpunkt seiner Entstehung bis in die Gegenwart. Das Entziffern und Interpretieren die¬ser materiell überlieferten Spuren ist eine Herausforderung an alle Fachleute, die sich mit mittelalterlichen Wandmalereien und Architekturfassungen befas¬sen. Wenn ein intensiverer Austausch zwischen den beteiligten Disziplinen zu einer verbes¬serten interdisziplinären Zu¬sammenarbeit in der Forschung und in der Projektarbeit führt und jeder die Sprache und die Methoden des an¬deren richtig versteht, ist für die Sache viel ge¬wonnen.


Prof. Dr. Dipl. Rest. Ursula Schädler-Saub ist Kunsthistorikerin, Restauratorin und Denkmalpflegerin. Studium an den staatlichen Universitäten in Mailand und Florenz sowie am Opificio delle Pietre Dure e Laboratori di Restauro delle Fortezza da Basso, Florenz. Berufliche Tätigkeit am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, zunächst als Restauratorin für Wandmalerei, dann als Gebietsreferentin für die praktische Denkmalpflege. Ab Wintersemester 1993/94 Professorin für das Lehrgebiet „Geschichte und Theorie der Restaurierung, Kunstgeschichte“ an der Hoch¬schule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim.
Vorstandsmitglied des Deutschen Nationalkomitees (DNK) von ICOMOS, Leiterin der Arbeitsgruppe Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei und Architekturoberflächen des DNK, Mitglied von ICOM, tätig in ICOM-CC. Autorin zahlreicher Publikationen über Restaurierungsgeschichte und Restaurierungstheorie.