Conference paper

Endemann, Klaus:

Unter anderem Gesichtspunkt: Langobardisches Bauen und sein Einfluss auf die frühkarolingische Architektur

Die Kultur der Langobarden hat in den letzten Jahrzehnten große Aufmerksamkeit erfahren. Nicht nur eine Vielzahl von Publikationen, auch zahlreiche Ausstellungen hatten dieses Germanenreich in Italien zum Thema – selbst in Deutschland.
Wenig ist über die Alltagskultur der Langobarden bekannt, kaum mehr, als über die der Merowinger oder der frühen Karolinger. Gestützt auf die literarische Überlieferung konzentriert sich das Interesse der Forschung auf Kunst und Kultur der langobardischen Führungseliten. Die Basiskultur bleibt weiterhin im Dunkel. Bei den oft sehr schwierigen Baudatierungen spielt aber die germanisch-langobardische Ornamentik eine tragende Rolle.
Versucht man die Architektur der “langobardischen Höfe“ zu fassen, so bleiben für deren Beurteilung – abgesehen von ganz wenigen, oft kaum zu deutenden Rudimenten der literarisch bezeugten Paläste - die Sakralbauten der Residenzen Brescia, Cividale, Spoleto, Benevent und Salerno. Die meisten anderen Sakralbauten sind in ihrer Datierung derart unsicher, dass sie beim Versuch „typisch Langobardisches“ herauszudestillieren vorerst eher Verwirrung stiften.
Vergleicht man diese Topobjekte, so sind aber kaum Gemeinsamkeiten auszumachen. Weder entwickelten die Langobarden wie die Karolinger eine dominante Architekturform noch sind Ansätze für eine „langobardische“ Ausstattungskunst zu erkennen (vom auch hier üblichen Rückgriff auf antike Bauwerke und Spolien einmal abgesehen). Das Bild wird auch nicht konturierter wenn man die Bau- und Handwerkstechnik einbezieht. Eine von Erfahrung getragene Bautradition, wie sie die magistri comacini erwarten ließen, ist im 8. Jahrhundert nicht zu erkennen.
Bei diesem Befund ist das Theorem vom ‘kaum zu überschätzenden Einfluss der langobardischen Kultur auf die Architektur der Karolinger‘ (Mitchell) zu überdenken. In der jüngst geäußerten These, Paulus Diaconus könne entscheidend auf den Entwurf zum Aachener Oktogon eingewirkt haben, gipfeln solche Ansichten. Der Vergleich mit der zielstrebigen Typenentwicklung im Karolingerreich widerspricht aber der These von der Vorherrschaft langobardischer Architektur entschieden.


Klaus Endemann, bis zur Pensionierung Leiter der Abteilung Konservierung und Restaurierung bei der Bayerischen Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. Seither freie Forschung zu Fragen der zeittypischen Ausführungspraxis von Architektur und Skulptur des Mittelalters, vornehmlich des frühen Mittelalters.