Projektdokumentation

Eggert, Gerhard:

Korrosion von national wertvollen Kulturgütern aus Glas und Metall durch anthropogene Carbonyl-Schadgase im Innenraum: Modellhafte Schadensdiagnose und Maßnahmen zur Prävention

01.04.2016 bis 30.09.2019

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Inhalt
Beteiligte

(c) Rachel Sabino
(c) Rachel Sabino
Glas-induzierte Metallkorrosion auf Museums-Exponaten (GIMME) tritt auf, wenn instabile historische Gläser durch Reaktion mit Luftfeuchtigkeit alkalische Oberflächenfilme ausbilden und diese in Kontakt zu Metall geraten. Durch Reaktion mit dem anthropogenen Luftschadstoff Formaldehyd entstehen überwiegend Formiate. Acetate und Carbonate (aus dem Kohlendioxid der Luft) sind seltener.

Eine modellhafte Durchmusterung von 800 einschlägigen Objekten aus der national bedeutenden Sammlung des Deutschen Bergbaumuseums Bochum (DBM) bestätigte, dass größenordnungsmäßig 10 % von GIMME betroffen sind. Das bisher übersehene GIMME-Phänomen ist also gar nicht selten, wenn man gezielt danach sucht, sondern tritt vielmehr regelmäßig auf. Als bisher unberücksichtigte neue Objektgruppen mit direktem Glas-Metall-Kontakt wurden gläserne Röhrenlibellen an Vermessungsinstrumenten und elektrische Glühlampen identifiziert. Wegen der nunmehr nachgewiesenen Häufigkeit ist die GIMME-Forschung für alle größeren Museen mit gemischter Sammlung relevant.

Die Untersuchung von Korrosionsproben aus dem DBM und aus 18 weiteren Sammlungen in 7 Ländern mit Ramanmikroskopie bestätigten die Dominanz von Formiaten. Anders als auf Glas selbst und bei Korrosion von Bronzen in der Außenatmosphäre trat Sulfat (aus Schwefeldioxid) nicht bei GIMME auf. Als neue Korrosionsprodukte konnten durch Auswertung von Röntgenbeugungs-messungen die Strukturen eines basischen Kalium-Bleicarbonats (Kalium aus Pottascheglas) und eines basischen Zink-Kupferformiats (auf Messing) vollständig aufgeklärt werden. Weitere auftretende unbekannte Verbindungen ließen sich charakterisieren (Metallkationen, Anionen), für die genaue Stöchiometrie (Formel) ist weitere Grundlagenforschung nötig.

GIMME konnte modellhaft im Labor auf Metallcoupons simuliert werden, die entweder direkt mit Alkaliformiatlösungen oder mit Alkalicarbonatlösungen und anschließender Formaldehydexposition behandelt wurden. Die unterschiedlichen Korrosionsprodukte gaben Hinweise, unter welchen Bedingungen mit welcher Verbindung zu rechnen ist. Dieser Versuchsaufbau konnte auch zum Test von Schutzmaßnahmen genutzt werden. Senkung der Luftfeuchtigkeit und Emissionsvermeidung bzw. Schadstoffabsorber verzögern das Auftreten von GIMME. Die Verwendung von Kaliumcarbonat kombiniert beide Effekte, da es auch die relative Luftfeuchtigkeit auf adäquate 43 % senkt. Bei Objekten ohne festen Glas-Metallkontakt ist die Trennung durch Zwischenfolien oder Schutzlacke sinnvoll.

In exploratorischen Arbeiten im MA-Studium Objektrestaurierung konnten Erfahrungen mit dem Umgang mit betroffenen Objekten gesammelt werden. Wo Korrosionsprodukte nicht mit Pinsel oder Skalpell entfernt werden können, bleibt der Einsatz von Komplexbildner-Gelen eine Möglichkeit. Der Einsatz feste, abziehbare Filme-bildender Gele ist aber noch nicht praxisreif. Wo aufgrund bereits eingetretener Schäden Materialverlust droht, müssen Sicherungsmaßnahmen getroffen werden, z.B. mit Draht befestigte Elemente durch Polyesterfäden gesichert oder Emaille gefestigt werden. In Ausnahmefällen ist auch der Austausch von Originalmaterial (z.B. durchkorrodierte Drähte, instabile Deckgläser) unvermeidlich.

Durch das Projekt konnte das Verständnis des GIMME-Phänomens wesentlich intensiviert werden. Den Restaurator*innen steht nun das nötige Wissen zur möglichst weitgehenden Verhinderung des Phänomens und zum Umgang mit betroffenen Objekten zur Verfügung.

Gefördert durch die DBU



Dieses Projekt wurde gefördert durch
die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
AZ 33255/01

 
Inhalt

0 Kurzfassung 4

1 Anlass und Zielsetzung 6

2 Arbeitsschritte und angewandte Methoden 8
2.1 Survey in der Sammlung des Deutschen Bergbaumuseums Bochum….8
2.2 Untersuchung von Korrosionsproben 8
2.3 Modellversuche 9
2.4 Bestimmung von Kristallstrukturen 9
2.5 Restauratorische Praxis 10

3 Ergebnisse 11
3.1 Survey im Deutschen Bergbaumuseum 11
3.2 Untersuchung weiterer Korrosionsproben 14
3.2.1 Emailleobjekte 14
3.2.2 Miniaturmalerei mit Deckglas und Metallrahmen 16
3.2.3 Brillen 18
3.2.4 Sonstige Objekte 18
3.3 Modellversuche 21
3.3.1 Modellexperimente in Klimakammer 21
3.4.2 Modellexperimente in Exsikkatoren 23
3.3.3 Modellexperimente mit Natrium- und Kaliumformiat 25
3.3.4 Modellexperimente mit Formaldehyd bei 75 % und 85 % rF 25
3.3.5 Modellexperimente bei unterschiedlicher Luftfeuchtigkeit 28
3.3.6 Modellexperimente mit unter-schiedlichen Schadstoffabsorbern..30
3.3.7 Modellexperimente mit unterschiedlichen Schutzüberzügen 33
3.4 Bestimmung von Kristallstrukturen 37
3.4.1 Basisches Kalium-Bleicarbonat, KPb2(CO3)2(OH) 37
3.4.2 Basisches Zink-Kupferformiat („Zink C“) 38
3.4.3 Weitere Versuche 38
3.5 Restauratorische Praxis 40
3.5.1 Abnahme von Korrosionsprodukten 40
3.5.2 Sicherung vor Verlust 42
3.5.3 Austausch von Originalmaterial 43

4 Diskussion 44

5 Öffentlichkeitsarbeit 45
5.1 Publikumsinformation 45
5.1.1 Akademie (SABKS) 45
5.1.2 Deutsches Bergbau-Museum (DBM) 45
5.2 Fachöffentlichkeit 45
5.2.1 Tagungsbeiträge 45
5.2.2 Publikationen 46
5.3 Weiterführung 49

6 Fazit 50

7 Literatur 52

8 Anhang 56

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DOI (Digital Object Identifier)

10.5165/hawk-hhg/441

Beteiligte

  • Gerhard Eggert (Autor/in)
    Institut für Konservierungswissenschaften, Staatl. Akademie der Bild. Künste (SABKS)
    Am Weißenhof 1
    70191 Stuttgart
  • Andrea Fischer
    Staatl. Akademie der Bild. Künste Stuttgart (SABKS)
  • Jörg Stelzner
  • Stefan Brüggerhoff
    Deutsches Bergbau-Museum Bochum
  • Michael Prange
    Deutsches Bergbau-Museum Bochum