Tagungsbeitrag

Weyer, Angela:

''Es ist entscheidend, an einem solchen Bau Methoden zu diskutieren'' Zur internationalen Tagung „Wandmalereien in freier Bewitterung. Konservatorische Herausforderungen am UNESCO-Weltkulturerbe Konstantinbasilika", 7. - 9. April 2011 in Trier

Gleich in seinem Grußwort machte Prof. Dr. Michael Petzet, Präsident von ICOMOS Deutschland, deutlich, dass die in den Fensterlaibungen der Trierer Konstantinbasilika erhaltenen römischen Malereireste besonders geeignet sind, das weltweite Problem der Erhaltung freibewitterter Malerei zu thematisieren und über neue Lösungen zu diskutieren. Rund 150 Fachleute waren aus der ganzen Bundesrepublik, Österreich, Italien, Polen, Tschechien, Luxemburg und Kroatien Anfang April nach Trier gereist, um 20 Vorträgen aus sehr verschiedenen Fachdisziplinen zu folgen, bei spannenden Fragen nachzuhaken und am Führungsprogramm teilzunehmen. Eingeladen hatten dazu das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS in Zusammenarbeit mit der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen, der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz und dem Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung LBB. Die wissenschaftliche Konzeption oblag Prof. Dr. Nicole Riedl, HAWK.

Die ersten Vorträge von Klaus Peter Goethert (Trier) und Jan Werquet (Berlin) erläuterten die Geschichte der Konstantinbasilika und ihre in Resten erhaltenen hochwertigen bemalten Außenputze: Gebaut ab dem Ende des 3. J n. Chr. als Teil des Residenzbereichs eines weiträumigen Kaiserpalastes wurden die eleganten Malereien in den Fensterlaibungen des Ziegelbaus wohl schon im frühen Mittelalter vermauert und erst im Zuge des Wiederaufbaus der Konstantinbasilika in der Mitte des 19. Jahrhundert wiederentdeckt und freigelegt. Gleichzeitig entschied man sich - zur Schaffung eines einheitlichen Erscheinungsbildes des monumentalen Ziegelbaus - für das Abschlagen des antiken weißen Außenputzes. Seither sind die nördlich der Alpen einzigartigen Malereien in den Fensterlaibungen der letzte Teil der römischen Architekturoberfläche.

Wie es der Malerei dann unter der freien Bewitterung durch Schlagregen, Sonneneinstrahlung, Frost, Rauchgasen und Schwebstoffdepositionen erging und wie man konservatorisch damit umzugehen gedenkt, erläuterten die weiteren Vorträge des ersten Tages.
Zunächst stellte Friederike Funke (Köln) die Bestandskartierung vor und schilderte die Restaurierungsgeschichte der Malerei von der Vermauerung der Fenster nach wenigen hunderten Jahren über ihre Freilegung Mitte des 19. Jahrhunderts inkl. Randanböschungen und wohl Wasserglasfestigung, ihrer Reparatur in den 1920 bis 1930ern mit erneuten Randanböschungen und Flügelklammern aus Metall bis hin zu Sicherungsmaßnahmen in den frühen 1950er Jahren mit einer Oberflächenversiegelung durch einen Klarlack.

Der Umweltmeteorologe Günther Heinemann (Trier) referierte die Ergebnisse der zweijährigen Erfassung des Mikroklimas an den Putzresten, insbesondere des Temperaturwechsels, der solaren Einstrahlung, der Lufttemperatur und -feuchte sowie der Verteilung der Wandtemperatur und der Windströme. Die Schadensursachen werden durch den Abgleich der gemessenen Klimadaten mit den Phasenübergängen der Hydratationsstufen von Kieserit erklärbar.

Rainer Drewello (Bamberg) führte sehr anschaulich die extreme Problematik des 1952 aufgetragenen Überzugs aus Polyesterharzen aus. 30 Jahre lang hat dieser zwar zu chemischer Stabilität, optischer Neutralität und einer „Einbalsamierung“ der Schadstoffe geführt, gleichzeitig versprödet er durch seine expositionsabhängige Alterung, so dass sich die Malschicht mitaufrolle. Er sehe derzeit keine Möglichkeit einer qualifizierten Reinigung.

Nicole Riedl (Hildesheim) fasste schließlich die bisherigen Ergebnisse ihres Forschungsprojektes zusammen: Die Schadensphänomene entfestigte Putzpartien und pudernde oder schuppig aufstehende Malschichten, sowie Salzkristallisation stehen ursächlich in direktem Zusammenhang mit materialimmanenten Faktoren (u.a. Dolomitkalk) und unsachgemäßer Restaurierung (u.a. mit zwei verschiedenen Festigungsmitteln). Schadensauslöser sei das einwirkende Klima, besonders die heterogene Aufwärmung der Malschichtoberflächen durch Sonneneinstrahlung hält die Schadensprozesse in Gang.
Ihr Ziel, die Erhaltung der römischen Außenmalereien in situ, möchte sie langfristig durch Überdeckung der konservierten Malerei mit einer mineralischen Schlämme erreichen und die Malerei digital darauf projizieren. Ein Pflege- und Wartungsprogramm sei unerlässlich.

Die ersten Vorträge des zweiten Tages weiteten den Blick auf internationale Projekte.

Hans Peter Autenrieth (München) beendete seinen einmaligen Überblick über europäische Außenmalereien („Fassadenmalerei“ nennt man sie nur an der Schauseite) von Pompeij bis zur bayerischen Lüftlmalerei im 18. Jahrhundert mit einer Bitte an die Restauratoren, sich neben den Konservierungsfragen auch der Kunsttechnologie wissenschaftlich verstärkt anzunehmen.

Ursula Schädler-Saub (Hildesheim) machte anhand der Florentiner Fassadendekorationen der Renaissance in Sgraffito- und Freskotechnik und ihrer Restaurierung im 19. und 20. Jahrhundert auf eine von Deutschland abweichende Wertschätzung in Italien aufmerksam, die dort ab den 1950er Jahren zu weniger Rekonstruktionen geführt habe. Als Grund verwies sie auf die vergleichsweise guten kunsthistorischen Kenntnisse der Italiener, bei denen Kunstgeschichte ein Schulfach und nicht zuletzt deshalb die Identifikation mit dem eigenen Kulturgut sehr hoch sei. Grundsätzlich würden die originalen Fragmente (seit den 1980er Jahren auch mit Retuschen, die sich vom Original eindeutig unterscheiden lassen) gezeigt, schützende Überputzungen seien nicht üblich, leider aber auch nicht immer die kontinuierliche Pflege.

Was es bedeuten kann, wenn ausreichend Wartung und Pflege auf Dauer fehlen, zeigte Stefano Vanacore (Pompeji): Von der antiken Stadt Pompeji wurde bislang etwa 2/3 ausgegraben, aber die Erhaltung der Kulturschätze sei seiner Meinung nach wegen zu vieler Touristen, zu wenig Restauratoren und Geld konservatorisch nicht mehr in den Griff zu bekommen. Aus diesem Grund sähe er angesichts der Schadensmechanismen (Klima, Vandalismus sowie falsche historische Restaurierungsmaßnahmen, wie z.B. Wachsüberzüge oder Paraloid B 72) keine andere Alternative als die Abnahme der Wandmalereien und deren Überführung in ein Museum. Das erschrockene Auditorium zeigte sich sehr zufrieden, als daraufhin Matthias Exner (München) und Ursula Schädler-Saub als Vertreter von ICOMOS erklärten, das Engagement von ICOMOS bei diesem Thema nochmals verstärken zu wollen.

Dass heutige Konservierung nicht mehr die Abnahme von bemalten Außenputzen bedeutet, zeigten die folgenden Projekte nachdrücklich.
Den Erfolg durch die Anbringung von Schutzdächern nach minimalen Eingriffen (Festigung, Aquarell-Retuschen, aber keine Anböschungen von Fragmenten) erläuterte Peter Berzobohaty (Wien) mit Verweis auf österreichische Beispiele. Die positive Wirkung eines bauzeitlichen Dachüberstands und einer Spalierberankung erwähnte auch Thomas Danzl (Dresden), der seit einigen Jahren die komplexen Konservierungsmaßnahmen der Renaissancemalereien an der Reithalle des Schlosses Heidecksburg in Rudolstadt leitet. Auf CaLoSiL – kolloidales Calciumhydroxid - zur Putz- und Steinfestigung angesprochen, warnte Danzl vor dessen Einsatz am gezeigten Beispiel und verwies auf die bald fertig gestellte Dissertation von Arnulf Dähne. Aber auch auf die Gefahr beim Einsatz von KSE wurde von vielen hingewiesen.

Schutz durch Überputzung ist ein aktuelles Forschungsfeld von Hans-Michael Hangleiter (Otzberg) für Objekte, für die aus ästhetischen oder technischen Gründen Überdachungen oder Einhausungen nicht möglich sind, z.B. Ruinen oder besonders exponierte Fassaden. Zur Zeit sei er „mitten in der Entwicklung“ einer neuen technischen Möglichkeit, bei der ein direkter Kontakt zwischen Schutzschicht und freigelegter Malerei durch punktuellen Einsatz von einer sehr dünnen Cyclododecan-Schicht vermieden wird, so dass eine vollständige Reversibilität der Maßnahme gewährleistet sei.

Ein dünner, zweischichtiger Schutzüberzug ist laut Doris Warger (Frauenfeld) für die karolingische Fassadenmalerei des schweizerischen Klosters Müstair geplant. Die Malerei sitzt hier in sehr flachen Blendarkaden der Außengliederung an der Heiligkreuzkapelle, deren Bedeutung für das UNESCO Weltkulturerbe Kloster Müstair Jörg Goll (Müstair) erläuterte. Die nur in einem Feld freiliegende Malerei sei sehr stabil, besäße aber eine verglaste Oberfläche. Warger präferiert eine Abdeckschicht aus einem Kreide-Tonerdegemisch, bei der die Referentin von einer Nachkarbonisierung ausgehe. Darüber käme eine bewitterungsresistente Schlämmme mit Sandbeigabe. Die Malerei in den anderen Blendfeldern soll zu ihrem Schutz nicht freigelegt werden.

Ein Plädoyer für eine schützende Überschlämmun hielt auch Ivan Srsa (Zagreb), der anfangs erläuterte, dass auf mittelalterlichen Wandmalereien in Küstenregionen Kroatiens originale Wachs-Öl-Überzüge festgestellt worden seien. Die vielen Versuche mit synthetischen Überzügen (u.a. CALATON CB, PARALOID B72) hätten indessen oftmals in komplexen, unvorhersehbaren Reaktionen nicht allein zu ästhetischen Beeinträchtigungen, sondern auch zu irreversiblen Schäden der Materialien geführt. Zur Erhaltung der originalen Substanz empfiehlt er in diesen Regionen eine mineralische Überputzung.

Den Schluss bildeten Beiträge zur Rezeption und Möglichkeiten der Vermittlung fragmentarisch erhaltener Malerei.

Stephanie Hoyer (Hallstadt) referierte über die Rezeption von fragmentarisch erhaltenen und aus unterschiedlichen Zeiten stammenden Malereien in der Bamberger Dominikanerkirche. Dort erfassten Psychologen und Restaurierungswissenschaftler im Rahmen einer Einzelfallstudie mit 28 Probanden deren unterschiedliche visuelle Herangehensweise. Als hilfreich für die Betrachtung erwies sich am Ende eine virtuelle Projektion, bei der mithilfe von Schablonen entweder eine Zeitschicht oder ein Motiv herausgefiltert wurde.

Michaela Janke (Köln) erläuterte zunächst anhand von verschiedenen Beispielen (Amiens, Brömserhof in Rüdesheim etc.), die Rekonstruktion oder Ergänzung von teilweise verloren gegangener Wandmalerei, ein Konzept, was Nicole Riedl auch für die Fassademalerei an der Konstantinbasilika vorschwebt.

Fazit:
Die Abnahme von Wandmalerei, von Heinz Jürgen Horn (Wesseling) am Anfang der Tagung ins Gespräch gebracht, ist heute in den Konservierungswissenschaften nicht mehr diskussionswürdig. Interdisziplinäres Vorgehen unter Einbeziehung von internationalem Expertenwissen, wie es an der Konstantinbasilika erfolgt, ist der richtige Weg für eine nachhaltige Lösung. Und schließlich zeigt diese Tagung auch, dass sich die Kooperation eines interdisziplinären Forschungsprojektes mit der international und auch politisch ausgerichteten Arbeit von ICOMOS Früchte trägt: Es bleibt noch zu wünschen, dass ICOMOS mit seinem Engagement für eine politische Lösung zur Erhaltung der pompejianischen Wandmalereien Erfolg haben werde.

Eine Publikation der Tagung ist bis Ende 2012 geplant.