Tagungsbeitrag

Strohmann, Dirk; Skriver, Anna:

Bildwelten-Weltbilder. Das Forschungsprojekt der westfälischen Denkmalpflege zur figürlichen romanischen Malerei 1170-1270

Der Vortrag stellt im ersten Teil die Struktur des Projekts dar, das sich in bewusster Absetzung von einem zeit- und ressourcenaufwändigen Corpuswerk der intensiven Erforschung einer kunsthistorisch und restauratorisch begründeten, repräsentativen Auswahl von 13 figürlichen Wand- und Gewölbemalereien der späten Romanik in Westfalen widmet. Vermesser, Fotografen, Kunsthistoriker, Restauratoren und eine Epigraphikerin arbeiten interdisziplinär bei der Beschreibung, Erfassung und Dokumentation des überlieferten romanischen Malereibestands zusammen. Auf dieser Grundlage erfolgt die kunst- und restaurierungswissenschaftliche Einordnung und Bewertung des Originals unter Berücksichtigung der Restaurierungsgeschichte und des Zusammenhangs mit Architektur und Raumfassung. Die Forschungsergebnisse werden Anfang 2017 in Gestalt einer Buchpublikation und weiterer medialer Aufbereitungen (Website, Film, Wanderausstellung) veröffentlicht.

Im zweiten Teil des Vortrags werden an vier Beispielen einige Ergebnisse der laufenden Arbeiten vorgestellt.
An der Westwand von St. Andreas in Soest-Ostönnen (dendrochronologisch um 1163 datiert) lassen Beobachtungen zum technologischen Aufbau auf die bauzeitliche Entstehung der Wandmalerei um 1170/80 schließen, was sich auch verändernd auf die zeitliche Einordnung anderer figürlicher und dekorativer Ausmalungen in Westfalen auswirkt.
1952 wurden in den Seitenapsiden der Dorfkirche von Bochum-Stiepel figürliche Ausmalungen aus romanischer und gotischer Zeit nebeneinander freigelegt. Mit Hilfe von UV-Licht-Aufnahmen, die in Kombination mit historischen Fotografien und Restaurierungsakten gedeutet werden konnten, ergeben sich neue Einsichten zur Schichtenfolge.
Bei der Untersuchung des Apostelfrieses der Soester Nikolaikapelle wurde deutlich, dass die Bildrahmen direkt auf der Wand entworfen wurden. Auch der ungewöhnliche Wechsel von blauen und grünen Bildhintergründen wurde erst im Ausmalungsverlauf dem Raum angepasst.
Innerhalb der Figurenreihe der Apsisausmalung in St. Blasius in Balve konnten mit Hilfe der Epigraphik (Dr. Giersiepen) einige Propheten erkannt werden, da vereinzelt erhaltene Buchstaben auf Spruchbändern ihren Bibelzitaten zuzuordnen waren.


Dr. Dirk Strohmann, Jahrgang 1958, Kunsthistoriker, Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie und Europäischen Ethnologie in Bonn, Marburg und Gießen, 1984 Promotion, seit 1985 bei der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Münster als wissenschaftlicher Referent im Fachbereich Restaurierung und Dokumentation tätig. Zuständig u.a. für die kunsthistorische Vorbereitung und Begleitung von Restaurierungsmaßnahmen und die Restaurierung von Glasmalerei. Leitung des Wandmalerei-Forschungsprojekts "Bildwelten-Weltbilder". Zahlreiche Aufsätze und Publikationen zu Themen der westfälischen Kunstgeschichte und Denkmalpflege mit Schwerpunkt Malerei."

Dr. Anna Skriver, geboren 1967 in Köln, 1987-90 Ausbildung zur Restauratorin für Wandmalerei und Steinskulptur, 1990-96 Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie und Philosophie in Köln und Bonn, weiterhin tätig in Restaurierung und Bauforschung. 1998 mehrfach ausgezeichnete Promotion über die Wechselwirkung zwischen Architektur und Farbfassung am Beispiel der Taufkapelle von St. Gereon in Köln, danach wissenschaftliches Volontariat im Museum Schnütgen, Köln. 2002-07 betraut mit der Publikation der umfassenden Untersuchungen der karolingischen Wandmalereien und Stuckfiguren der Klosterkirche Corvey. Erforschung mittelalterlicher Architektur und Wandmalerei in Westfalen und Bayern, dazu zahlreiche Aufsätze und Publikationen. Seit 2012 tätig im LWL-Forschungsprojekt zur figürlichen romanischen Wandmalerei in Westfalen.