Tagungsbeitrag

Klössel-Luckhardt, Barbara:

Bischof Konrad II. von Hildesheim und das Goslarer Evangeliar - Fleuronée im europäischen Kontext

Der erlesene Buchschmuck des um 1230 in Goslar entstandenen Evangeliars ist häufig als Kronzeuge für verschiedene kunsthistorische Phänomene in Anspruch genommen worden: als Exemplum byzantinisierender Malweise im Westen, als Paradeobjekt angewandter Mustersammlungen, zuletzt sogar als künstlerische Höchstleistung 'frommer Frauen'. Die seit Adolph Goldschmidt bekannte Bestimmung für das Frauenkloster St. Maria in Hortus - kurz Neuwerk - wurde in jüngerer Zeit durch die paläographische Analyse bestätigt. Für die Bewertung der bildlichen Ausstattung bedeutete dies letztlich eine irreführende Einengung auf den Blickwinkel heimischer und monastischer Kunstübung. Der gezeichnete Dekor mit seiner Leitform der sogenannten 'Spray initials' oder 'Italinate shooters' sowie einer Fülle virtuos in die Rankenornamentik eingewobener antropomorpher Motive blieb dabei weitgehend unbeachtet. Parallelen lassen sich dafür ab 1200 in Handschriften unterschiedlicher Gattung in verschiedenen Ländern aufzeigen, von Frankreich und Italien bis nach England und Spanien. Den historischen Hintergrund dafür bilden jeweils die Zentren professioneller Buchproduktion im Umfeld der frühen Universitäten. Von diesem Milieu sind sowohl der Auftraggeber wie auch der Maler des Goslarer Evangeliars geprägt gewesen. Als Patron rückt Bischof Konrad II. von Hildesheim in den Fokus, der mit den Stationen seiner geistlichen Laufbahn - Studium und Lehre der Theologie in Paris, vielleicht an der berühmten Abtei von St. Viktor, später bedeutender Kreuzzugsprediger im Deutschen Reich im Auftrag Papst Innozenz III. - genau diese europäische Perspektive eröffnet.

Dr. Barbara Klössel-Luckhardt, Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie und Ur- und Frühgeschichte in Münster, 1983 Promotion mit dem Thema "Studien zur Bildausstattung des Goslarer Evangeliars".
Seither durch familiäre Situation bedingt kurzfristige fachliche Stationen in Münster und dem Raum Braunschweig, jedoch durchgehend wissenschaftliche Publikationstätigkeit
u. a. Mitarbeit an den Ausstellungskatalogen Ornamenta ecclesiae (Köln 1985) sowie Heinrich der Löwe und seine Zeit (Braunschweig 1995), Soest. Geschichte einer Stadt (Frühe Tafelmalerei; 1996), Faksimile-Ausgabe der Vita Sancti Liudgeri (Graz 1999), Elisabeth von Thüringen (Eisenach 2007), Braunschweigische Wirtschafts- und Sozialgeschichte (Industrielle Markenzeichen; Hildesheim 2008).
Ab 2003 Erfassung von ausgewählten Siegelbeständen des Staatsarchivs Wolfenbüttel (Walkenried und Gandersheim). Jüngste sphragistische Arbeiten: Siegel und Seide - Zwei Siegeltaschen des 13. Jahrhunderts aus dem Stift St. Blasius zu Braunschweig, in: Braunschweiger Jb. 2013; Die Siegel des Kollegiatsstifts St. Blasii zu Braunschweig, in: H. Wolter-von dem Knesebeck / J. Hempel, Die Wandmalereien im Braunschweiger Dom St. Blasii, Regensburg 2014. Im Druck: Ein Siegelcorpus als Bestandsedition - Der Fond des Klosters Walkenried (Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft); Et sigillo illustris uxoris nostre - Weibliche Repräsentation in frühen Frauensiegeln des Welfenhauses (Salzgitter Jahrbuch).