Tagungsbeitrag

Thörner, Nicole:

Die holzsichtigen, wandfesten Einbauten der Villa Tugendhat, Brno / Tschechien Erstellung eines Behandlungsplans anhand der technologisch-restauratorischen Untersuchung unter Berücksichtigung der Modernisierungsphasen und der Pflegegeschichte

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Der Vortrag beruht auf den Ergebnissen der Facharbeit zum Diplom von Inga Blohm, Vanessa Kaspar, Kirsten Lauterwald, Nicole Thörner und Silke Trochim, Studierende am Fachbereich Konservierung / Restaurierung an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fachhochschule Hildesheim / Holzminden / Göttingen. Die Facharbeit wurde von Frau Prof. Dr. Gerdi Maierbacher-Legl betreut und geprüft.

Untersuchungsgegenstand war die originale wandfeste Innenausstattung, d.h. die furnierten, materialsichtigen Holzoberflächen im Haus Tugendhat. Im Einzelnen handelt es sich um die Einbauschränke des Damen- und Herrenzimmers, die Wandpaneele des Entrees und des Durchgangsraumes zur Terrasse, die holzsichtigen Zimmertüren der dritten Etage sowie die fest eingebaute Bibliothek. Um das Ausmaß der vorgefundenen Zustandsphänomene besser beurteilen zu können, wurden auch die später zugefügten Holzeinbauten als Referenz herangezogen.

Der Vortrag wird exemplarisch Konstruktionsweisen und Überarbeitungsphasen vorstellen. Im Weiteren wird der Zustand, ein Konservierungs- und Restaurierungskonzept sowie ein Nutzungs- und Pflegeplan präsentiert.


Konstruktion und Gestaltung

Die gestalterische Idee des Architekten, in den Innenräumen die Vertikale mit Hilfe der raumhohen wandfesten Holzausstattung zu betonen und die ebenmäßig gereihten Flächen mit kostbaren Materialien zu gestalten, setzt eine besonders durchdachte Konstruktion voraus. Die gewählte Konstruktionsweise sichert die Formstabilität der einzelnen Bauteile.

Im Damen- und Herrenzimmer (3. Geschoss) gleichen sich die Einbauschränke in ihrer Konstruktion und auch in der Bibliothek sind die Schränke und Regale in ihrer Bauweise sehr ähnlich. Zur wandfesten Innenausstattung der Bibliothek gehört eine Paneelwand, die in ihrem Aufbau der mit Palisander furnierten Wandverkleidung im Entree des dritten Geschosses und augenscheinlich auch der Wandverkleidung im Windfang zur Terrasse entspricht.

Es wurden ausschließlich Plattenwerkstoffe verwendet, die mit Edelholzfurnieren belegt und mit einem transparenten Überzug veredelt wurden. Die Frontseiten der Schränke im Damen- und Herrenzimmer sind mit durchgehendem Palisanderholz, die Innenseiten mit Ahornholz furniert. In der Bibliothek sind die Schauseiten der wandfesten Ausstattung in einer aufwendigen Technik mit Makassarfurnier belegt. Die Innenflächen der Bibliotheksschränke sind wie die Schränke der dritten Etage mit Ahorn furniert.

Die im Typensystem konstruierten Einbauschränke des Damen- und Herrenzimmers und der Paneelwände sind bereits in der Werkstatt soweit vorbereitet und veredelt worden, dass die Einzelteile am Aufstellungsort nur noch durch moderne Möbelverbinder und Steckverbindungen zusammengesetzt werden mussten.

Es konnten fast alle Konstruktionsverbindungen analysiert werden. Mit Hilfe von technischen Zeichnungen und Maßaufnahmen wurden diese visualisiert.


Überarbeitungsgeschichte

Im Zuge jeder Nutzungsphase des Hauses sind mit großer Wahrscheinlichkeit auch Überarbeitungen an den wandfesten Einbauten durchgeführt worden. Eine zeitgenaue Zuordnung ist meist nicht möglich. Dennoch sind verschiedene Überarbeitungsphasen u.a. durch den Vergleich historischer Baupläne und Fotografien voneinander abzugrenzen. So können z.B. Veränderungen der wandfesten Möbel und Hinzufügungen, wie Rekonstruktionen und Neukonstruktionen vor allem in den 1980-er Jahren belegt werden.

Als Ergebnis der Einzeluntersuchungen der Überzüge ist festzuhalten, dass fast alle ursprünglichen transparenten Überzüge zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt mechanisch entfernt worden sind, wie die zahlreichen Schleifspuren, durchgeschliffene Furniere, auffällige Furnierergänzungen und Kittungen nahe legen. Eine Ausnahme bildet der Innenraum der Einbauschränke der Elternzimmer, in denen der vermutlich originale Überzug gefunden und analysiert werden konnte.

Heute präsentiert sich die Oberfläche sämtlicher holzsichtigen Einbauten wesentlich matter als auf historischen Fotos der Familie Tugendhat. Die einzelnen holzsichtigen Objekte können nach den verschiedenen Untersuchungen in Gruppen zusammengefasst werden, die jeweils zeitgleich überarbeitet wurden. Allerdings lassen diese Gruppierungen keine definitive zeitliche Bestimmung zu.


Zustand

Der heutige Zustand der wandfesten holzsichtigen Einbauten sowie der holzsichtigen Türen des 2. und 3. Geschosses des Hauses Tugendhat ist primär als Resultat der Nutzungs- und Pflegegeschichte zu sehen.

Allgemein sind die wandfesten holzsichtigen Einbauten und Türen in einem weitgehend guten Zustand. Das Ausmaß der vorhandenen Schäden ist verhältnismäßig gering. Ebenso sind die gegenwärtigen Überzüge mit Ausnahme der bodennahen Partien weitgehend intakt.

Nach Auswertung der erstellten Schadenskartierung zeigt sich deutlich die Häufung charakteristischer Schadensphänomene, wie deckender Überstrich in wand- und deckennahen Bereichen und die Ausbildung eines „Putzstreifens“ im bodennahen Bereich. Letzterer entstand durch intensiven, regelmäßigen Feuchteeintrag unter mechanischer Belastung während der Bodenpflege.


Konservierungs- und Restaurierungskonzept

Das Ziel der Konservierung und Restaurierung ist die Bewahrung des erhaltenen materiellen Bestandes der wandfesten Holzeinbauten im Haus Tugendhat in ihrem historisch gewachsenen Zustand. Das konservatorisch-restauratorische Konzept wird neben den einzelnen Maßnahmen zur Erhaltung des Bestandes auch einen notwendigen Pflegeplan vorstellen.

Weiterhin ist die ursprünglich gewünschte Wirkung des wandfesten Mobiliars in die Konzeptplanung einzubeziehen. Mies van der Rohe schätzte in seinem Entwurf des Hauses Tugendhat die edlen Materialien als „Wirkungselement“ in den sonst schmuck- und ornamentlosen Räumen. Diese ästhetische Wirkung wird aber nur bei einer „absoluten“ Makellosigkeit der Materialien erzielt. Der Behandlungsplan soll die vorhandenen Schadensphänomene soweit reduzieren, dass das gewünschte Erscheinungsbild nicht mehr negativ beeinträchtigt wird. Die Maßnahmen werden im Vortrag detaillierter erläutert.


Nutzungs- und Pflegekonzept

Das Haus Tugendhat verzeichnet durch seine herausragende Stellung in der europäischen Architektur entsprechend hohe Besucherzahlen. Einerseits ist dies für ein Museum natürlich elementar wichtig, andererseits birgt ein hohes Besucheraufkommen immer ein gewisses Schadenspotential. Um eine Vernutzung des Hauses und seiner Inneneinrichtung zu minimieren, wird ein Präsentations- und Nutzungskonzept vorgeschlagen. Dieses beinhaltet Maßnahmen zur Reduzierung des Schmutz- und Feuchteeintrages, Lichtschutzvorkehrungen und Überlegungen zu allgemeinen Verhaltensregeln für Besucher und Personal im Haus Tugendhat. Die Auswertung der Nutzungsgeschichte zeigt, dass zur Erhaltung des Hauses und dessen Interieurs zukünftig ein strenger Pflegeplan eingehalten werden muss. Viele der aufgenommenen Schäden sind auf die unsachgemäße Nutzung oder falsche Pflege der Objekte zurückzuführen. Der Pflegeplan diskutiert die derzeitigen Reinigungsgepflogenheiten und zeigt mögliche Verbesserungen für Pflege und Instandhaltung auf.

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