Tagungsbeitrag

Klein, Bruno:

Sancta Colonia – Die Konstruktion von Geschichte in der Stadt und der Architektur des mittelalterlichen Köln - und der gotische Dom

Köln wurde seit dem 10. Jahrhundert zunehmend als „Heilige Stadt“ propagiert und inszeniert. Hauptakteure hierfür waren die Kölner Erzbischöfe, die innerhalb des Reiches eine bedeutende institutionelle Rolle spielten. Hierzu wurden die bis in die Antike zurückreichende Tradition der Stadt funktionatialisiert. Dies dokumentieren bis heute zahlreiche Großbauten, die sich durch bestimmte Gestaltungsmerkmale auszeichnen: Einerseits sind bei ihnen Traditionsverweise deutlich erkennbar, die auf historische Legitimation verwiesen; andererseits gibt es bei ihnen auch höchst moderne Elemente, durch welche zugleich der damals aktuelle Rang der Kölner Erzbischöfe angezeigt wurde. Alt und neu wurden dabei nicht nur innerhalb der Binnenstruktur dieser Bauten produktiv miteinander in Beziehung gesetzt, sondern dies galt auch für das Verhältnis der heiligen Orte und ihre Bauten im alten Zentrum der Stadt und die an der Peripherie befindlichen Heiligengräber.

Vor diesem Hintergrund musste der 1248 begonnene gotische Dom als ein Fremdkörper wirken, da er augenscheinlich keine Rücksicht auf die genannten lokalen Traditionen nimmt. In dem Vortrag soll jedoch gezeigt werden, dass diese Annahme lediglich darauf beruht, dass der Dom seit dem 19. Jahrhundert ausschließlich als ein stilistisch und typologisch radikal innovatives Monument gilt, das sogar erheblich ,,moderner“ als die französischen Kathedralen war, die von ihm rezipiert wurden. Baugestalt und Stil wurden immanent mit Hilfe der stilgeschichtlichen Entwicklungen erklärt.

Dabei lässt sich gerade die innovative Qualität des Kölner Doms eigentlich erst vor dem Hintergrund des lokalen Baugeschehens wirklich verstehen Denn tatsächlich rekurriert auch der „moderne“ Dombau auf die Traditionsinszenierungen der älteren Sakralinstitutionen, allerdings auf völlig neue Weise. Denn in die formal so moderne, visuell das Stadtbild beherrschende und operativ das städtische Bauwesen dominierende Kathedrale waren mehr historische Verweise eingebaut als in alle anderen Kölner Kirchen. Mit dem Bau wurde versucht, die intellektuelle Hoheit über die Kölner Sakraltopographie zurückzugewinnen.

Bruno Klein, Studium der Kunstgeschichte in Berlin, Paris, Köln und Bonn, Promotion über die frühgotische Abteikirche in Braine, Habilitation über die romanische Kathedrale von Piacenza. Lehre an verschiedenen Universitäten in Europa und Lateinamerika, seit 2000 Professor an der TU Dresden. Mitglied des DFG-Fachkollegiums 103 "Kunst-, Musik-, Theater- und Medienwissenschaften“. Forschungsschwerpunkte: Kunst des Mittelalters; Geschichte der Architektur vom Mittelalter bis zu Gegenwart, Geschichte der Kunstgeschichte.