Tagungsbeitrag

Worm, Andrea:

Diagramm – Karte – Ornament: die angelsächsische Heptarchie

Seit dem 12. Jahrhundert begegnen in englischen Chroniken Darstellungen der sieben angelsächsischen Königreiche, die zwischen Diagramm, Karte und Ornament merkwürdig oszillieren: Einerseits sind sie hochgradig abstrakt, andererseits geben sie die Lage der sieben Reiche zueinander topographisch korrekt wieder und sind durch die Angabe der Himmelsrichtungen orientiert.
Die Diagramme der Heptarchie haben, ungeachtet ihrer Bedeutung und Verbreitung, bislang noch keine eingehendere Untersuchung erfahren. Besonders interessant erscheint im Hinblick auf die Fragestellung der Sektion, welche inhaltliche Dimension dem Plan durch seine verschiedenen, aber immer ornamentarigen Gestaltungen zukommt – fast immer ist er, wie im gezeigten Beispiel blütenförmig, manchmal sind die einzelnen Reiche aber auch als Kreise gegeben. In anderen Worten: Welche zusätzliche semantische Aufladung wird Strukturen eben durch ihre ornamentale Gestaltung beigelegt und ist die ornamentale Gestaltung als Verweis auf eine höhere Ordnung zu interpretieren?
Allgemein stellt sich zum einen die Frage, was es bedeutet, wenn ornamentale Strukturen in Bereichen verwendet werden, die eigentlich – wie geographische Karten – ihrer Natur nach dem Ornament zunächst unverwandt erscheinen. Andererseits bedürfen vielleicht auch die Kategorien und die Terminologie (Plan, Diagramm, Karte, Ornament) der modernen Forschung der Überprüfung auf ihre Tauglichkeit für die Annäherung an mittelalterliche Darstellungsformen, die sich diesen (wirklich oder nur vermeintlich) eindeutigen begrifflichen Klassifizierungen häufig entziehen.

Dr. Andrea Worm M.A., Magisterstudium an der Universität Augsburg, zuerst Kunsterziehung, dann Kunstgeschichte (Hauptfach), Klassische Archäologie und Neuere deutsche Literaturwissenschaft (Nebenfächer); M.A. an der Universität Augsburg 2001: Die christologischen Miniaturen im Bilderzyklus des Perikopenbuches Ms. lat. 17325 der Bibliothèque Nationale in Paris („sehr gut“); 2001-2003 Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Augsburg; Promotion an der Universität Augsburg 2004: Das Pariser Perikopenbuch Ms. lat. 17325 und die Anfänge der romanischen Buchmalerei an Rhein und Weser; 2004-2008 Lehrbeauftrage an der Universität Augsburg; 2006-2007 Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Research Associate) am Fitzwilliam Museum, Cambridge: Handschriftenkatalogisierung am Cambridge Illuminations Research Project; 2009-2012 Lehrtätigkeit im Rahmen des Post-Graduate Seminars Medieval Manuscript Studies in the Digital Age,veranstaltet als Kollaboration der School of Advanced Study der University of London, der University of Cambridge und dem Warburg Institute, London; 2008-2013 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kunstgeschichte/Bildwissenschaft an der Universität Augsburg; seit 2013 Universitätsassistentin am Institut für Kunstgeschichte der Karl-Franzens-Universität Graz; 2015: Einreichung der Habilitationsschrift: Geschichte und Weltordnung. Bildliche Modelle von Zeit und Raum vor 1500 an der Karl-Franzens-Universität Graz.