Tagungsbeitrag
Wendler, Eberhard:
Erfassung und Vermeidung klimarelevanter Sorptions- und Hydratstufenwechsel bauschädlicher Salzgemische am Beispiel des Musensaals im Augsburger Fuggerhaus
Die freskalen Wandmalereien im Musensaal sind durch die Auswirkungen bauschädlicher Salze stark gefährdet, neben Gips im unmittelbaren Oberflächenbereich im Wesentlichen durch Tiefenbelastungen mit Natriumsulfat und Natriumnitrat. Während die Entfernung des schadensauslösenden Gipsanteils aus den Malschichtoberflächen durch Anwendung von Ammoniumcarbonatkompressen zu sehr guten Resultaten führte, konnte die anschließende Applikation von Neutralkompressen die verbleibenden leichtlöslichen Salze zumindest in der Tiefe nicht wirksam extrahieren. Natriumsulfat kann, abhängig vom Raumklima, in einer wasserfreien oder einer stark wasserhaltigen Form existieren. Die Umwandlung der beiden Modifikationen (Hydratationswechsel) ist mit deutlichen Dehn- bzw. Schrumpfbewegungen verbunden, die eine extreme Belastung für das Putzgefüge darstellen. Das hygroskopische Natriumnitrat geht oberhalb einer Raumluftfeuchte von 75 % rel. F. in Lösung und kristallisiert bei trockeneren Bedingungen wieder aus. Auch diese Übergänge (Kristallisationswechsel) sind mit hohen Gefügebelastungen verbunden. In Salzgemischen sind die für die jeweiligen Reinsalze bekannten Phasenübergänge verschoben, finden also bei geänderten Temperatur-/Feuchtebedingungen statt. Diese Verschiebungen sind zwar im Grundsatz bekannt, bis heute jedoch für reale Salzbelastungen nur ansatzweise erforscht.
Alle Versuche in der Vergangenheit, die wasserlöslichen Salze durch Kompressenanwendung weitgehend aus dem Mauerwerksverbund zu extrahieren, scheiterten und führten über den verstärkten Wassereintrag wohl eher zu einer unkontrollierten Umverteilung der Salze. Bekannt ist auch, dass nach dem heutigen Wissenstand Salzminderungsmaßnahmen auf freskal bemalten Untergründen nur höchst unvollkommen gelingen, da die Malschicht eine Transportbarriere darstellt. Jüngere Anwendungen cellulosefreier Feinsandkompressen zeigen zwar verbesserte Extraktionsraten, sind jedoch derzeit nicht in der Lage, Tiefenbelastungen wirksam und nachhaltig zu reduzieren.
Eine Erhaltung der Wandmalerei lässt sich in Gegenwart der (nicht extrahierbaren) Schadsalze nur über eine Stabilisierung des Raumklimas erreichen. Dafür ist es aber notwendig, die Klimaübergänge zu kennen (und zu vermeiden), bei welchen die schadensauslösenden Prozesse stattfinden, d.h., der salzbelastete Putz durch jeweils Aufnahme oder Abgabe von Luftfeuchtigkeit reagiert.
Putzprüfkörper aus Bereichen mit Fehlstellen in der Malschicht wurden sowohl aus einem unbehandelten wie aus einem restauratorisch behhandelten Bereich herauspräpariert und anschließend auf einer Präzisionswaage mit zeitlicher Datenaufzeichnung im Musensaal exponiert. Aus den dabei gemessenen Masseänderungen im Zusammenhang mit dem gleichzeitig aufgezeichneten Raumklima lässt sich klar herleiten, welche klimatischen Bedingungen gefährdend und folgerichtig zu vermeiden sind. Angestrebt wird also eine Schadensminimierung durch gezielte Auswahl eines stabilen Klimakorridors bei vorhandener Belastung mit hygroskopischen und hydratstufenbildenden Salzen.
Dr. Eberhard Wendler, FACHLABOR für KONSERVIERUNGSFRAGEN in der DENKMALPFLEGE, München