Abstract

Anna Kriegseisen

Sgraffito-Dekorationen der 50er Jahre in Danzig: Ideelle Bedeutung der Technologie, Modifizierung, konservatorische Problematik

Der Großteil von Alt-Danzig wurde im 2. Weltkrieg völlig zerstört: Die Gassen mit ihren für das 16., 17. oder 18. Jahrhundert charakteristischen Fassaden (mit wenig Sgraffiti) sind seither aus dem Stadtbild verschwunden.
Das breit diskutierte Konzept des schnellen Wiederaufbaus Danzigs wandelte sich: In einer Phase lud man Künstler zur Mitwirkung ein, die zum Aufbau der Hochschule für bildende Künste nach Danzig gezogen waren. Das Resultat sind die heutigen Fassadendekorationen an der Langgasse und des Langen Marktes in der Danziger Rechtstadt, die großteils in Sgraffito-Technik geschaffen sind. Denn paradoxerweise sind ideologische Sgraffito-Dekorationen – damals wie heute – mit der Wertschätzung von Traditionen verbunden und werden gerne im historischen Kontext genutzt. Sie sollten auch Assoziationen an Italien hervorrufen, obwohl das Danzig des 17. und 18. Jahrhunderts stärkere Verbindungen mit der niederländischen Baukultur aufweist. Die Künstler, die diese neuen Projekte entwarfen, folgten dieser Ideologie, haben sie jedoch künstlerisch weiterentwickelt: Danziger-Sgraffito der 50er Jahre verfügen über viele Elemente anderer Techniken, u. a. wenden sie auch die für Relief und Grafik charakteristischen Ausdrucksmittel an. Diese modifizierte Sgraffito-Technik erlaubte ein sehr schnelles Arbeitstempo, was ein wichtiges Propagandamittel der Wiederaufbauzeit war.

Die Auseinandersetzungen über Sgraffito-Dekorationen sind noch heute aktuell: Einerseits stehen sie als eine interessante künstlerische Erscheinung unter Denkmalschutz, andererseits wächst Unmut über eben diesen Denkmalschutz, weil sie von vielen für einen Überrest des realen Sozialismus gehalten werden, da viele in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden sind.


Anna Kriegseisen M.A. has studied Restoration/Conservation and Preservation of Cultural Heritage at Nicolaus Copernicus University in Toruń, Poland (1989-1997). She works as a freelance conservator/restorer of sculpture and architectural surfaces.
From 2006 to 2016 she was the Manager of the Department of Conservation of the National Museum Gdańsk. At Gdańsk University of Technology she is writing the PhD thesis "Colour Compositions of Façades in 16th, 17thand 18thcentury Gdańsk”. She is author of more than 20 articles about polychromy in architecture and sculpture.